Riten, Bräuche und Traditionen
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Der Iwan Kupala-Tag ist das in Russland und der Ukraine traditionell gefeierte Fest der Sommersonnenwende. Iwan Kupala hat heidnische Wurzeln und ist eine Art Fruchtbarkeitsritus, der auch von der Orthodoxen Kirche akzeptiert und mit Johannes dem Täufer assoziiert wird.
Die Geschichte des Feiertages ist einige Jahrtausende alt. Den historischen Quellen nach kommt der Feiertag aus der Frühzeit der Stammbeziehungen, als in Russland noch einzelne Stämme lebten. Für slawische Stämme war dieser Feiertrag der wichtigste von allen. Dieser Tag ist die Personifizierung der Naturkräfte. Der Überlieferung zufolge fährt die Sonne im schmucken Wagen aus ihrem Himmelspalast dem Mond, ihrem Gatten, entgegen. Der Name des Feiertages kommt von Iwan (altrussisch - Ioann) der Täufer (es wurde angefangen diesen Feiertag nach der Annahme des Christentums in Russland zu feiern) und dem vorchristlichen slawischen Feiertag Kupalo (nach dem alten heidnischen Gott der Fruchtbarkeit Kupalo, der in der damaligen Hierarchie der dritte Gott war). Die christlichen und heidnischen Traditionen haben sich in diesem Feiertag sehr verflechtet. Das Hauptsymbol des Feiertags ist das Feuer als Personifizierung der Sonne. Nach der Annahme des Christentums in Russland war die Einwirkung des Heidentums noch sehr stark, und zeigte sich in alten Feiertagen. Selbst christliche Kirchenfeiern hatten heidnische Namen bekommen - z.B. Tag von Iwan Kupala.
Das ist der Volksfeiertag der Sommersonnenwende. Der längste Tag im Jahr. Früher wurde der Feiertag am 24. Juni nach der altrussischen Zeitrechnung gefeiert. Nach der heutigen Zeitrechnung ist das die Nacht von dem 6. auf den 7. Juli. An diesem Tag wird von der Kirche der Geburt von Propheten, Johannes des Vorläufers, Johannes des Täufers gefeiert.
Es war der Volksglaube, dass in der Nacht Wunder geschehen können. In dieser Nacht ist der Tau heilsam, das Kraut heilsam und das Wasser hat eine hohe Reinigungskraft.
Am 6. Juli wird der Tag der Agraphena der Badenden gefeiert (Tag des Gedächtnisses der Märtyrerin Agrippina - eine andere Form des Namens Agraphena).
Am 12. Juli wird der Tag des Gedächtnisses der Apostel Peter und Paul gefeiert.
In alten Zeiten war die ganze Zeit vom 6. Juli bis zum 12. Juli eine Woche der Feiern.
Die Feierlichkeiten kann man in 3 Etappen aufteilen:
Etappe 1.
6. Juli - die Mädchen fangen an zu wahrsagen, um einen Ehemann zu finden (sammeln 12 verschiedene Kräuterarten - darunter unbedingt Distel und Farn - und legen diese für die ganze Nacht unter das Kopfkissen).
Etappe 2.
In der Nacht von 6. auf 7. Juli ziehen sich Männer und Frauen nackt aus und suchen bis zur Morgenröte nach der Blume des Farnkrauts. Nach dem Volksglauben, blüht diese nur ein Mal pro Jahr, in der Nacht von Iwan Kupala. Man ging davon aus, dass mit Hilfe von der Farnkrautsblume, die um Mitternacht nur für einige Augenblicke blüht, man alle Schätze sehen kann (egal wie tief diese unter der Erde auch vergraben sind). Die Blume wird aber von dem Bösen geschützt, man muss vorsichtig sein und wenn die Blume gefunden ist, darf man bei der Rückkehr nicht zurückschauen, sonst verschwinden sowie Leib, als auch Seele.
Nach dem Volksglauben der Bauern darf man nicht in dieser Nacht schlafen, weil das Böse in dieser Nacht leibhaftig wird. Deshalb sind einige Zeremonien mit der Vertreibung der Hexe verbunden. Man macht einen Strohmann (der auch Hexe oder Kupala genannt wurde) oder einfach einen Strohwisch und der wird in der Nacht verbrannt.
In der Nacht muss man über die Meiler und Feuer springen - wer besser und höher springt, der wird glücklicher. Das Mädchen und der Junge springen oft zusammen, sich an den Händen fassend - nach drei geglückten Sprüngen, werden sie in diesem Jahr Hochzeit feiern. Die Mädchen wahrsagen mit Kräutern - diesmal anders, als ein Tag zuvor: sie sammelten in der Nacht Kräuter und legten diese unter das Kopfkissen. Am Morgen wurde geprüft, ob die Anzahl der Kräuterarten 12 ist. Wenn ja, so wird das Mädchen in diesem Jahr heiraten.
Die Mädchen winden aus Wiesenblumen und Kräutern (Hain-Wachtelweizen, Klette, echte Königskerze und Feldthymian) Kränze, und lassen diese auf dem Wasser treiben (auf heutigen Fotos kann man viele Mädchen mit Kränzen sehen). Zwei Kränze lässt man mit brennenden Kerzen auf dem Wasser treiben. Der erste Kranz symbolisiert das Mädchen, der zweite - seinen Geliebten. Wenn die beiden Kränze immer nebeneinander treiben, so werden Mädchen und Junge immer zusammen sein, wenn nicht - so kommt die Trennung. Diese Wasserzeremonien (sowie Baden im Tau) hatten die Mädchen nackt gemacht.
Alleinstehende Frauen haben bei die diesem Brauchtum ebenfalls die Möglichkeit, einen Geliebten zu finden. Um Mitternacht muss sie dreimal nackt um ein Roggenfeld laufen, dann wird der Geliebte die Frau in seinem Traum sehen und verstehen, dass es diese Frau ist, nach welcher er sein ganzes Leben lang bisher gesucht hat.
Etappe 3.
7. Juli - Tag von Iwan Kupala. Alle Tagesbräuche sind mit Wasser verbunden (das Wort Kupala stammt vom slawischen „kupat” ab, d.h. baden). Man muss aber vorsichtig sein, weil das Geburtstagskind an diesem Tag der Wassermann ist. Die Jugendlichen begiessen einander (hauptsächlich Mädchen) mit Wasser und Schmutz.
Mitte des 19. Jahrhunderts beschreibt ein Zeuge: „... gehen dann die nassen und dreckigen Jugendlichen zum Fluss und baden dort zusammen, und zwar bekleidet.”
Gab es also kein Nacktbaden?
Hier ist aber zu betonen, dass...
a) zu der damaligen Zeiten war es überhaupt nicht üblich, dass Frauen und Männer zusammen baden (wenn sie nicht verheiratet waren)
b) das Baden erfolgte nicht in der Nacht, sondern am Tage
c) man badete normalerweise in Unterhemden, die im Wasser halbtransparent sein konnten
d) das Verhältnis zur Nacktheit in der Mitte des 19. Jahrhunderts war nicht so wie in den Zeiten zuvor
e) und kein Zweifel, dass die Mädchen, wenn sie allein waren, nackt badeten (und Männer natürlich auch).
Den Feiertag feiert man auch in Lettland (dort ist der Feiertag unter dem Namen Ligo gekannt), Litauen (Lado), Polen (Sobotki), in der Ukraine (Kupalo oder Kupailo), in Weissrussland und sogar in Finnland.
In Lettland (Ligo-Tag, Jans Nacht - weil Jan die westslawische Form des Namen Iwan ist) ist es wie in Russland üblich, zu baden, einander mit Wasser zu begiessen und über Feuer (oder über Brennesseln) zu springen, und die Liebenden suchen nach der Blume des Farnkrauts (die nennt man das Nachtveilchen), wenn sie diese finden - werden sie glücklich. Im heutigen Lettland feiert man diesen Tag als staatlichen Feiertag im Laufe von drei Tagen. In der Ukraine - so, wie in Russland.
In Weissrussland ein Tag vor dem Iwans Tag wird ein Pfahl in den Boden eingeschlagen. Der Pfahl wird mit Stroh und Hanf umgelegt. Auf die Spitze des Pfahls kommt auch ein Strohwisch. Dieser Stroh heisst „Kupala”. Das Stroh wird angezündet und man tanzt um den Meiler herum.
Im heutigen Weissrussland ist bis heute folgende Tradition geblieben. Beim Tagesanbruch des Iwans Tages wird zwischen den Mädchen das schönste gewählt. Es wird nackt ausgezogen, mit Blumenkränzen und Blumen vom Kopf bis Fuß umwickelt, die Augen werden verbunden und es wird in den Wald gebracht. Das Mädchen nennt man „Mädchen-Kupalo”. Das Mädchen steht im Zentrum eines Reigens und hat eine Menge von früher gebastelten Blumenkränzen in den Händen und gibt diese (mit verbundenen Augen) an die anderen tanzenden Mädchen weiter. Jenes Mädchen, welches einen frischen Kranz bekommt, wird reich und glücklich und einen Ehemann finden.
Heute feiern diesen Feiertag, bzw. die Sommersonnenwende, hauptsächlich Naturisten.
Sie treffen sich in dieser Nacht in der Natur, baden nackt, springen über Feuer, tanzen nackt um das Feuer, u.s.w.
In der russischen Literatur, z.B. bei einem russischen Schriftsteller, auch Mitte des 19. Jahrhunderts, kann man noch über einen anderen Volksbrauch lesen:
25. Juni nach der heutigen Zeitrechnung (12. Juni nach der alten Zeitrechnung). Tag von Peter-Wendung, Kohltag, - die Sonne wendet sich an den Winter, der Sommer wendet sich an die Hitze. Gedächtnistag von Ehrwürdigem Peter von Aphon. Es fällt grosser Tau. Ende des Frühlings, Anfang des Sommers. Die letzte Saat von Gurken. Das Pflanzen der Setzlinge in die Beete. Das letzte Pflanzen des späten Buchweizens. Die Gemüsegarten sind vom Unkraut zu jäten. Zuvor aber muss man nach dem alten Brauch „die Beete umlaufen” - Die Mädchen sammeln sich um Mitternacht und laufen um die Beete herum, und zwar nackt. Dadurch werden die Beeten gegen Schädlinge, Honigtau, heisse Sonne und Regen geschützt.
Vielen Dank an Ilya für die Informationen
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