75F - Ein Buch über wahre Größe

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Fischer Taschenbuchverlag
2015
978-3-596-03042-2
256
Deutsch
13,6 x 20,3 cm
Annika Line Trost

75F - Ein Buch über wahre Größe

„Kein Nippel ist so hart wie das Leben”
Ein ganz authentischer Blick auf einen großen Busen


Schämen, Fremdschämen oder in den Boden versinken – dies sind Emotionen, die während der Lektüre des heiteren, aber doch geschlechterkritischen Buchs „75 F – Ein Buch über die wahre Größe” durch die Glieder fahren. Annika Line Trost hält vor allem dem chauvinistisch geneigten Leser einen Spiegel vor. Es gelingt ihr, die Beschäftigung mit einer gewaltigen Körbchengröße nicht mit einem erhobenen Zeigefinger zu wagen. Sie wagt es auch nicht, sich Männer zu Feinden zu machen. Nein, sie beschreibt den Alltag mit einem großen Busen so, wie er zu sein scheint.

Insofern ist das Buch „75 F – Ein Buch über die wahre Größe” auch als Verständigung zwischen den Geschlechtern zu lesen. Keine Frau trägt die Schuld dafür (sofern sie die Brust natürlich hat wachsen lassen), dass sie eine große Oberweite hat. Sie hat sich mit diesem Faktum zu arrangieren. Am besten wäre es natürlich, wenn sie Freude am eigenen Körper entwickelt, auch an einer großen Oberweite.

„75 F – Ein Buch über wahre Größe” zeigt jedoch, dass ein großer Busen eher lästig zu sein scheint und Anlass für viel Leid zu sein scheint. Annika Line Trost nimmt es mit Heiterkeit und an der ein oder anderen Stelle auch mit Bösartigkeit. „Kein Nippel ist so hart wie das Leben mit Monstertitten.” (10) über die Bodenständigkeit der Sprache mag man irritiert sein. Die Deutlichkeit der gewählten Worte konfrontiert den Leser letzthin damit, dass das penetrante Blicken auf eine große Oberweite und das abfällige Reden darüber auch nichts mit Empathie und Zärtlichkeit zu tun hat.

„ ...in die Augen guckt Dir ja sowieso niemand, und Dein Busen macht eher den Eindruck, als würde es Dir zu gut gehen ...” (156) Annika Line Trost antwortet auf die ihr eigene Weise darauf: „Kein Wunder also, dass es den meisten Leuten arschegal ist, wenn ich mich hinter meinen prallen Genuss-und-Freude-Fickificki-Melonen auch mal echt scheiße fühle.” (157)

Immer wieder wird über Natürlichkeit spekuliert, wenn über große Brüste philosophiert wird. Dass die Frauen, die einen großen Busen haben, mehr Schwierigkeiten als erwartet haben, mag man nicht glauben, wenn man nicht betroffen ist. Wenn man große Brüste habe, sei es nicht leicht, sich mit ihnen auf eine Sportart zu einigen, stellt Annika Line Trost unter anderem fest. Die große Oberweite sei häufig im Weg, wie Trost an mehreren Beispielen illustriert. Als Mann gibt es beim Lesen die Gelegenheit, die „Typologie der Tittentypen” kennenzulernen. Mehr noch – es gibt die Möglichkeit, sich einer Rolle in der Typologie zuzuordnen. Ob man ein „fachkundiger Tittentyp” ist, „der sich mit BH–Größen besser auskennt als man selbst” (177), ein „sensibler Tittentyp” ist, „der zwischen seiner Seele und der Welt zwei warme, weiche Puffer braucht” (178), oder der „kultivierte Tittentyp” ist, „der sie trunken von all ihrer Wonne betrachtet wie ein göttliches Feuer, das quillt und glänzt” (178), dies mag jeder für sich selber betrachten und entscheiden. Über zweieinhalb Seiten zieht sich die „Typologie der Tittentypen”.

Mit großer Freude, aber mindestens soviel Nachdenklichkeit habe ich das Buch gelesen. Es ist eine gute Gelegenheit, den eigenen Chauvinismus zu relativieren.

Gelesen von Christoph Müller (Familien-Sport-Gemeinschaft Nordrhein - Westfalen)


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